Urheberrecht

Piraten und Urheberrecht: eine Übersicht

Die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte, vor allem die digitale Revolution und das Internet, bringt Veränderungen mit sich, die eine Anpassung bestehender Gesetze und Vorstellungen erfordern. Insbesondere im Urheberrecht ist die Notwendigkeit solcher Veränderungen deutlich Die Forderung nach einer Liberalisierung und Modernisierung der bestehenden Urheberrechtsgesetze gehört zu den Gründungsthemen der Piratenbewegung und stellt nach wie vor einen der Kernpunkte des Programms und der Identität der Piraten dar.


Legalisierung des nichtkommerziellen Kopierens und Verbreitens urheberrechtlich geschützter Werke; Stärkung der Privatkopie

Der wohl bekannteste Punkt aus dem Piratenprogramm, der oft als „Abschaffung des Urheberrechts“ fehlinterpretiert wird. Davon kann keine Rede sein, denn er greift weder die Persönlichkeitsrechte des Urhebers noch seine Rechte auf kommerzielle Verwertung der eigenen Werke an. Für die Freigabe der nichtkommerziellen Vervielfältigung sprechen aus unserer Sicht zwei gewichtige Argumente:

  • Der freie Zugang zu Wissen und Kultur ist entscheidend für die Entwicklung der Gesellschaft – also wichtig und wertvoll. Ihn aus wirtschaftlichen Überlegungen einzuschränken, ist gesellschaftlich nicht tragbar. Mit der Entwicklung immer neuer Technologien (vom Buchdruck zu Ton- und Videoaufnahme bis schließlich hin zur Digitalisierung und des Internets) wird die Verbreitung von Informationen fortwährend erleichtert. Das ist eine begrüßenswerte Entwicklung, die gefördert und nicht durch Gesetze verhindert werden sollte.
  • Immer wieder aufkommende Vorschläge zu Maßnahmen wie Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren oder Sperrung von Internetanschlüssen ganzer Haushalte in Verbindung mit Urheberrechtsverletzungen zeigen, dass die Durchsetzung von Urheberrechten im nichtkommerziellen Bereich eine Überwachungsinfrastruktur im Internet, eine Einschränkung der Kommunikationsfreiheit und einen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger erfordert, die weder akzeptabel noch verhältnismäßig sind.

Zahlreiche Studien belegen, dass die von Wirtschaftsverbänden verbreitete Vorstellung, den Kreativen würden durch Filesharing erhebliche Verluste entstehen, zumindest zweifelhaft, in vielen Fällen sogar nachweislich falsch ist. Insbesondere werden dabei die positiven Effekte der freien Verfügbarkeit von Inhalten ausgeblendet und bestehende Vertriebs- und Geschäftsmodelle als einziger Maßstab genommen. In Wirklichkeit gibt es mittlerweile eine Vielzahl von innovativen Geschäftsmodellen, die auf der freien Verbreitung aufbauen und sie positiv nutzen; dabei besteht noch viel Steigerungspotential, da solche Modelle trotz ihrer bisherigen Erfolge noch weitgehend in den Kinderschuhen stecken und vor allem die großen Unternehmen der Branche sich statt deren Weiterentwicklung dem Kampf gegen das freie Internet widmen.

Insgesamt sehen wir keinerlei Beleg dafür, dass durch die Entkriminalisierung von Filesharing ein Einbruch in den kreativen Branchen stattfinden würde. Die Verbreitung von Tauschbörsen ist bereits jetzt so hoch, dass ein solcher Einbruch schon hätte stattfinden müssen, was jedoch ausgeblieben ist – im Gegenteil der Kulturgütermarkt wächst beständig. Die Legalisierung der nichtkommerziellen Vervielfältigung ist ein längst überfälliger und notwendiger Schritt, der das Gemeinwohl steigert. Ebenso setzen wir uns für das Recht auf Privatkopie ein, das zwar formell gegeben ist, durch Kopierschutzmaßnahmen aber systematisch ausgehöhlt wird. Diese Maßnahmen greifen in die Rechte der Nutzer ein und führen zu einer eingeschränkten Benutzbarkeit alter Exemplare von Kulturgütern; sie sind deshalb abzulehnen. Als erster Schritt müssen die Umgehung dieser Maßnahmen seitens der Nutzer und die Bereitstellung von Software zu diesem Zweck ausdrücklich erlaubt werden.


Reduzierung der Schutzfristen für urheberrechtlich geschützte Werke

Die heutige Dauer von Schutzfristen sehen wir als völlig unverhältnismäßig an. Fristen bis viele Jahrzehnte nach dem Tod des Urhebers lassen sich weder aus ökonomischer noch aus philosophischer Sicht begründen und dienen einzig der Bereicherung der Rechteinhaber zu Lasten der Allgemeinheit indem durch Monopolrechte der Zugang zu diesen Werken eingeschränkt wird. Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Kultur, bei der immer auch bestehende Werke verwendet werden, werden ebenfalls beeinträchtigt. Auch die Urheber werden durch zu lange Schutzfristen gegenüber den Rechteverwertern benachteiligt, da sie weitgehend die Kontrolle über die eigenen Werke verlieren. Unsere Forderungen sehen eine Höchstdauer der Schutzfristen bis maximal 10 Jahre nach dem Tod des Urhebers vor.


Stärkung der Gemeinfreiheit; Ausweitung der urheberrechtlichen
Ausnahmen für Bildungs- und Wissenschaftszwecke

Gemeinfreie Werke bilden unseren gemeinsamen Kulturschatz und sind zu schützen, wie in dem 2010 von der Piratenpartei Deutschland unterzeichneten Public Domain Manifesto dargelegt. Bildung und Forschung haben einen besonderen Wert für die Gesellschaft, der über die kommerziellen Interessen der Urheber zu stellen ist, weshalb wir für eine Befreiung der Bildungseinrichtungen von Urheberrechtsabgaben und eine Ausweitung der Schranken des Urheberrechts für die Nutzung zu Bildungs- und Wissenschaftszwecken eintreten.


Freier Zugang zu staatlich finanzierten Werken

Besonders im wissenschaftlichen Bereich werden Werke meist in staatlich finanzierten Einrichtungen erstellt, aber in kommerziell vertriebenen Zeitschriften veröffentlicht, die nicht einmal Bildungseinrichtungen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Wird ein Werk durch den Staat – und somit die Gesellschaft – finanziert, so muss diese auch einfachen und kostenfreien Zugang dazu erhalten. Das trifft auch auf amtliche Werke zu, bei denen das Urheberrecht als Vorwand verwendet werden kann, um Transparenz zu verhindern, sowie auf durch öffentliche Gelder geförderte Kunst.


Beschränkung der Abmahnindustrie

Die Praxis, massenhaft kostenpflichtige Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen zu verschicken und somit Gewinne für Anwälte und Rechteverwerter zu generieren, lehnen wir ab, da dadurch Internetnutzer drangsaliert werden und der Sinn von Abmahnungen verfälscht wird. Eine Beschränkung von Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzung gegenüber Privatpersonen ist ein kurzfristiges Ziel, dessen Erreichung spürbare positive Folgen für die Menschen hätte, ohne die Interessen der Urheber zu berühren.


Stärkung der Urheber gegenüber der Verwertungsindustrie

Das Urheberrecht ist eine Einschränkung der Rechte der Allgemeinheit an der Verwendung von Wissen und Informationen. Eine solche Einschränkung ist in gewissem Umfang gerechtfertigt, falls sie den Interessen der Urheber von Werken dient, keinesfalls aber darf sie zugunsten wirtschaftlicher Interessen Dritter stattfinden. Die derzeitigen Regelungen führen trotz eines stetig wachsenden Kulturgütermaktes nicht dazu, dass die Urheber angemessen an den daraus entstehenden Einnahmen beteiligt werden. Daher setzen wir uns für eine Stärkung der Urheber gegenüber Rechteverwertern ein, beispielsweise durch eine zeitliche Begrenzung der Vergabe ausschließlicher Verwertungsrechte (Buyout) und durch die Stärkung des Zweitverwertungsrechts der Urheber.