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CSD 2015: Toleranz reicht nicht – Wir brauchen Akzeptanz

(CC-BY) Ludovic Bertron

Der Hamburg Pride, wie der Christopher-Street-Day (CSD) in Hamburg heißt, an dem auch die PIRATEN wieder teilnehmen, steht in diesem Jahr unter dem Motto „Akzeptanz ist schulreif: Sexuelle Vielfalt auf den Stundenplan!“. Das Motto nimmt damit auch Bezug auf Äußerungen und Demonstrationen sogenannter „besorgter“ Eltern, die im Laufe des letzten Jahres in mehreren deutschen Großstädten und zu Beginn dieses Jahres auch in Hamburg gegen behauptete „Frühsexualisierung“ und „Homosexualisierung“ von Kindern an Schulen und Kitas auftraten. Diese Gruppierung ist, neben christlichem Fundamentalismus, auch durch prominente Beteiligung, wie des früheren Kommunisten und heutigen Rechtspopulisten Jürgen Elsässer, dem intoleranten Umfeld von Pedida und Co zuzuordnen. Wir PIRATEN treten auf dem CSD, zusammen mit Hamburg Pride für eine aktive Aufklärungs- und Bildungspolitik, sowie die Verankerung sexueller Vielfalt als Bestandteil der Lehr- bzw. Bildungspläne, ein.

Nicht nur die Demonstrationen eines homophoben Mobs zeigen deutlich wie berechtigt und dringlich die Forderungen nach echter Akzeptanz heute immer noch sind. Keine Frage, unsere Gesellschaft ist toleranter geworden gegenüber Lebensentwürfen, die vom Mainstream abweichen. Wir tolerieren, also dulden inzwischen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, aber wir akzeptieren sie nicht. Denn das hieße, gegen- und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wirklich gleiche Rechte zu gewähren. PIRATEN treten deshalb auf dem CSD, mit Hamburg Pride für das gleiche Recht auf Ehe für alle und das volle Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare, sowie den gleichberechtigten Zugang zur Reproduktionsmedizin ein. Nach Ansicht von PIRATEN sollte das Recht auf Ehe auch nicht ausschließlich Paaren vorbehalten bleiben. Alle Menschen, die sich, in welcher Konstellation auch immer, freiwillig dazu entschließen Verantwortung für einander zu übernehmen, finanziell für einander einzustehen, gemeinsam Verantwortung für Kinder zu übernehmen und sich auch im Alter noch gegenseitig zu stützen, sollten als Familie im Sinne des Grundgesetzes anerkannt und rechtlich gleichgestellt sein.

Mit der heutigen Toleranz, also der Duldung von Homo-, Inter- und Transsexualität geht auch einher, dass Verfolgte dieser gesellschaftlichen Gruppe durch das Naziregime, von der Bundesrepublik entschädigt wurden. Viele, insbesondere jüngere Menschen, wissen aber nicht, dass auch nach der Befreiung vom nationalsozialistischen Terror, zwischen 1945 und 1969 Homosexualität unter Männern weiterhin strafbar war und rund 50.000 Menschen wegen „widernatürlicher Unzucht“ nach § 175 StGB verurteilt und bestraft wurden. Toleranz bedeutet, dass heute in Deutschland niemand mehr für seine sexuelle Identität bestraft und ins Gefängnis gesteckt wird. Das reicht aber nicht. PIRATEN fordern auf dem CSD, mit Hamburg Pride, Akzeptanz und die Anerkennung staatlichen Unrechts. Wir fordern die Entschädigung und Rehabilitierung, sowie die Aufhebung der Urteile der nach § 175 in der Bundesrepublik verurteilten Homosexuellen.

Immer wieder begegnet uns die Ansicht wohlwollender Mitmenschen, homo-, inter- und transsexuelle Menschen würden heute doch allgemein toleriert, besäßen zumindest annähernd gleiche Rechte, nun sei aber langsam genug. Einige sprechen bereits, analog zur feministischen Emanzipationsdebatte, von einer Umkehr der Verhältnisse, einer Bevorzugung und Überpräsenz von queeren Lebensweisen gegenüber der „natürlichen“, „gottgewollten“ heteronormativen Lebensweise. Angesichts der oben genannte Beispiele und vieler weiterer, wie die weltweit – auch in Deutschland, regelmäßig vorkommende Gewalt gegen homo-, inter- und transsexuelle Menschen, widersprechen PIRATEN dieser intoleranten Haltung vehement und treten auf dem CSD für eine Akzeptanz abweichender Lebensweisen ein. Noch bis 1980 wurden homosexuelle Männer in Hamburg, z.B. auf Demonstrationen und auf öffentlichen Toiletten durch einseitige Spiegel von der Polizei beobachtet und in, aus dem dritten Reich bekannten, „Rosa Listen“ registriert. Eingeführt wurden die Spionierspiegel im Jahre 1964 unter dem damaligen Hamburger Innensenator Helmut Schmidt (SPD). Der letzte Spiegel, in der Toilette am Rathausmarkt, wurde noch nach der Reform des Homosexuellenparagraphen 175 im Jahre 1973 installiert.

In diesem Zusammenhang möchten wir PIRATEN diese akzeptierende Grundhaltung auch gegenüber anderen abweichenden Lebensweisen einfordern. 1980 war die Überwachung von Homosexuellen und das Führen von „Rosa Listen“ ein Skandal, heute plant die Bundesregierung aus CDU und SPD ein sogenanntes „Prostituiertenschutzgesetz“, das in Wahrheit ein Überwachungsgesetz ist, die Registrierungspflicht von Huren, sogar von sogenannten „Gelegenheitsprostituierten“, einzuführen und damit eine Neuauflage von Listen von Menschen mit abweichenden Lebensweisen. Im Zusammenhang mit Cannabisabgabestellen, fordern aktuell sogar Politiker der Grünen, die 1980 in Hamburg den Skandal aufdeckten und anprangerten, die Registrierungspflicht für Drogennutzer, die an Modellprojekten teilnehmen wollen.

PIRATEN lehnen, insbesondere vor dem Hintergrund von „Rosa Listen“ in Deutschland, sämtliche stigmatisierenden und zur Verfolgung geeigneten Listen und Registrierungen von Menschen mit abweichenden Lebensentwürfen vehement ab.

Hinweise zur Veranstaltung:
Parade: [01.08.2015, 12:00, Lange Reihe , http://www.hamburg-pride.de/hamburg-pride-csd/parade/
PIRATEN auf der Parade: [Wagennummer 21]
Straßenfest: 31.07.2015-02.08.2015, Jungferstieg / Ballindamm, http://www.hamburg-pride.de/hamburg-pride-csd/strassenfest/
Programm Pride-Week: http://www.hamburg-pride.de/hamburg-pride-csd/pride-week/

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