Monat: August 2013

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Bestandsdatenabfragen ufern aus: PIRATEN fordern Einschränkung (20. August 2013)

Im Jahr 2012 gab es so viele staatliche Datenabfragen bei Telekommunikations-Dienstanbietern wie nie zuvor. Die Zahl dieser Abfragen ist nach Angaben der Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von 36,3 Mio. gestiegen. Im Vorjahr waren es noch 34 Millionen gewesen. Das von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verabschiedete Gesetz zur Bestandsdatenauskunft wurde nach einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde des Piraten Abgeordneten Patrick Breyer von der aktuellen Regierung im Juli durch ein neues Gesetz abgelöst. »Statt die Regelungen zu Bestandsdatenabfragen einzuschränken, haben SPD, FDP und Union mit dem am 1. Juli in Kraft getretenen neuen Telekommunikationsgesetz neue Schnüffelschnittstellen für Abfragen durch Geheimdienste und Polizei eingeführt. Das wird die Zahl der Abfragen von Bürgerdaten in Zukunft weiter in die Höhe treiben. Hier zeigt sich die Doppelmoral in der Kritik am Überwachungsskandal. Wir Piraten werden dieses Überwachungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht stoppen!«, so Katharina Nocun, Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland. Schon über 200 Behörden nutzen den Bestandsdatenzugriff millionenfach, und Geheimdienste haben in vielen Fällen einen Freibrief für Anfragen ohne begründete Verdachtsgrundlage. Künftig sollen sogar Passwörter und – ohne richterliche Anordnung – die Identität von Internetnutzern über eine elektronische Schnittstelle abgefragt werden können. Katharina Nocun klagt deshalb gemeinsam mit dem Schleswig-Holsteiner PIRATEN-Abgeordneten Patrick Breyer und tausenden Bürgern gegen das im März von Schwarz-Gelb beschlossene Gesetz zur Bestandsdatenauskunft. Patrick Breyer klagt zudem vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegen das von Rot-Grün 2004 eingeführte Verbot anonymer Handykarten. »Wir haben ein Recht auf Anonymität. Leider missachtet Deutschland unser Grundrecht auf anonyme Kommunikation systematisch, obwohl es Menschenleben retten kann, etwa bei der anonymen HIV-Beratung oder der psychologischen Beratung von Straftätern«, so Breyer.

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Apothekenskandal: Patienten brauchen Schutz vor dem Handel mit Gesundheitsdaten (19. August 2013)

Nach Berichten des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« wurden vom Apothekenrechenzentrum VSA unzureichend anonymisierte Datensätze an Pharmaunternehmen zu Marktforschungszwecken verkauft. Schon 2012 wurde solch ein Datenskandal durch den Spiegel und den Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, aufgedeckt. »Offensichtlich wurden keine Konsequenzen aus dem Datenskandal 2012 gezogen, und es wird nach wie vor wild mit sensiblen Gesundheitsdaten der Bürger spekuliert. Wenn schon einfache Rezeptdaten ohne jede Rücksicht auf Datenschutz weitergegeben werden, wie soll dann ein Vertrauen in die Datenstruktur der elektronischen Gesundheitskarte entstehen, die eine zentrale Speicherung aller Patientendaten bis hin zur elektronischen Patientenakte vorsieht? So geht das nicht weiter. Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, welche Daten wo und wie gespeichert und verarbeitet werden und selbst darüber bestimmen können«, sagt Sven Schomacker, Generalsekretär der Piratenpartei Deutschland. Die PIRATEN fordern eine generelle Prüfung der Praxis der Weitergabe von Verschreibungsdaten an Dritte. Ohne belegbaren Nutzen für die Patientinnen und Patienten ist diese nach Ansicht der PIRATEN nicht vertretbar. »Gesundheitsdaten dürfen nie Ziel wirtschaftlicher Interessen sein. Medizinische Daten sind weitaus sensibler als alles andere«, ergänzt Reinhard Schaffert, Arzt und Themenbeauftragter der Piratenpartei Deutschland für Gesundheitspolitik. »Wenn Pharmaunternehmen die Daten kaufen und einzelnen Patienten zuordnen können, wäre das auch für jedes andere Unternehmen denkbar, um beispielsweise die Medikamente ihrer Arbeitnehmer zu überprüfen und daraus Rückschlüsse auf die Gesundheit zu ziehen. Wir befürchten, das ist nur die Spitze eines Eisberges.« Mit den erworbenen Daten wollen pharmazeutische Unternehmen ihre Werbemaßnahmen und Vertriebswege optimieren. Auch wenn dies verständliche marktwirtschaftliche Ziele sind, dürfen Unternehmen nicht gegen das Grundrecht der Patientinnen und Patienten auf Wahrung ihrer Privatsphäre und damit gegen geltendes Recht verstoßen, so die PIRATEN.

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PIRATEN-Anfrage deckt massive Funkzellenabfragen in Schleswig-Holstein auf (15. August 2013)

Wie eine Antwort auf eine große Anfrage der Piratenfraktion Schleswig-Holstein ergab, hat die Polizei in Schleswig-Holstein seit 2009 in 850 Funkzellenabfragen massenhaft Verbindungs- und Standortdaten von Mobilfunkteilnehmern erfasst. Dabei kam es bisher nur in 36 Fällen zu einer Verurteilung. Die Zahl der betroffenen Handynutzer konnte in nur 129 Verfahren auf über zwei Millionen Anschlüsse beziffert werden, so dass insgesamt von rund sieben Millionen georteten Handys seit 2009 auszugehen ist. Statistisch gesehen war danach jeder Mensch im Land schon mehrfach im Visier der Ermittler. Wer also zur falschen Zeit am falschen Ort war, kann somit leicht zu Unrecht einer Straftat verdächtigt werden. »Das ist nicht nur ineffektiv. Es ist vollkommen unverhältnismäßig, mit geringer Erfolgsaussicht ins Blaue hinein eine massenhafte Kompletterfassung aller Handybenutzer im Umkreis eines Tatorts vorzunehmen. Gegen diese Massendurchleuchtung muss eingeschritten werden«, erklärt Katharina Nocun, Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland. Uli König, Mitglied der Piratenfraktion Schleswig-Holstein, zweifelt zudem die Plausibilität der mit der Antwort gelieferten Daten an. So sollen bei der Staatsanwaltschaft Lübeck im Jahr 2009 in einer Funkzellenabfrage zwar 120.000 Anschlüsse betroffen gewesen sein, gleichzeitig sollen aber nur 70.000 Datensätze erfasst worden sein. »Das ist Unsinn! Diese Auskunft lässt für uns nur zwei Schlüsse zu: Entweder sind die Zahlen falsch oder die Polizei übt sich in derart nutzlosem und ausuferndem digitalen Voyeurismus, dass sich die Landesregierung nicht traut uns dies in vollem Umfang zu sagen«, so König. In diesem Zusammenhang kritisieren die PIRATEN generell, dass viele Handynetzbetreiber Bewegungsdaten ihrer Kunden auf Vorrat speichern, ohne dass dies technisch für die Abrechnung erforderlich ist. Dazu Katharina Nocun, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland: »Die Netzbetreiber speichern unsere Daten in einer ausufernden und grundrechtsverletzenden Weise, die den ›gläsernen Bürger‹ Realität werden lässt, und der Gesetzgeber unternimmt nichts dagegen. Dass wir als Bürger unsere Anbieter einzeln auf Nichtspeicherung verklagen müssten, ist ein unhaltbarer Zustand. Die Bewegungserfassung der Anbieter muss sofort gestoppt werden, damit entfällt auch die Grundlage für die umstrittenen rückwirkenden Massenabfragen der Polizei. So lange es keine funktionierenden Kontrollmechanismen gibt, die verhindern, dass Menschen ohne ihr Wissen in ein Überwachungsraster fallen, sind Funkzellenabfragen eine systematische Grundrechtsverletzung und ein Einbruch in unsere informationelle Selbstbestimmung in ganz großem Stil.« Nach Angaben der Landesregierung bleiben die überwachten Bewegungen der Handynutzer oft jahrelang gespeichert, selbst wenn die Ermittlungen längst eingestellt sind. Quellen: [1] Große Anfrage der Piratenfraktion SH: http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0200/drucksache-18-0244.pdf