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ESSO-Häuser: Gutachten belegt massiven Instandhaltungsstau

Diese Woche wurde das neue Gutachten zum Zustand der ESSO-Häuser vorgelegt und belegt einen maroden Zustand. Das Gutachten war vom Bezirksamt Hamburg-Mitte in Abstimmung mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) beauftragt worden, nachdem die Verabredung eines gemeinsamen Gutachtens zwischen Bewohnern und der Eigentümerin der Bayerischen Hausbau GmbH von den Investoren aufgekündigt worden war. Das nun vorliegende Gutachten stellt erhebliche Mängel fest, die auf einen jahrzehntelangen Instandhaltungsstau zurück zu führen seien. Die statischen Mängel sind derart gravierend, dass das Bezirksamt als zuständige Bauaufsichtsbehörde heute die sofortige Schließung der Tiefgarage und sofortige Durchführung von Abstützungsmaßnahmen verfügt hat.

Begleitet wir die Vorstellung des Gutachtens von einem kleinen Skandal: Die Vorstellung des Gutachtens für Bezirkspolitik, Investor und Bewohner bzw. Initiative ESSO-Häuser war über mehrere Tage verteilt, die Vorstellung für die Bezirkspolitik fand bereits am Dienstag statt, die Vorstellung für die Bewohner und die Initiative war für den heutigen Donnerstag vorgesehen. Bis dahin war vereinbart keine Stellungnahmen gegenüber der Öffentlichkeit und der Presse abzugeben um allen Beteiligten die gleiche Chance zu geben auf die Ergebnisse zu reagieren. Offenbar haben sich aber Teile der Bezirkspolitik nicht daran gehalten, so dass schon gestern erst das Hamburger Abendblatt [1] und später auch der NDR [2] und die Hamburger Morgenpost [3] berichteten. So erfuhren die Bewohner dann doch aus der Presse, dass ihre Häuser angeblich nicht zu retten seien. Dies ist allerdings nicht, wie z.B. in der Mopo zu lesen, dem Bezirk anzulasten. Hier hat vermutlich ein einzelner Abgeordneter die Chance  ergriffen sich die  Journalistengunst zu sichern und seine Interpretation des Gutachtens in der Öffentlichkeit zu verankern, bevor Bewohner und Initiative die Chance haben Stellung zu beziehen. Genau das sollte aus Gründen des fairen Umgangs vermieden werden. Das hat mit Transparenz wie die PIRATEN sie an vielen Stellen einfordern nichts zu tun, das ist dreckige Politik!

“Die Gutachter (Büro DR Architekten) haben in der bisher gründlichsten Untersuchung der Esso-Häuser bei nahezu allen entnommenen Proben eine weit fortgeschrittene Schädigung des Stahlbetons festgestellt. Die Durchdringung des Betons durch Carbonat (CO 2 der Luft) und Chloride (Tausalze) führt zur Zersetzung des innen liegenden Stahls und reduziert Standfestigkeit und Brandsicherheit des Gebäudes. Eine wesentliche Ursache hierfür ist die jahrzehntelang vernachlässigte Instandhaltung.  Das entscheidende Problem liegt in der angegriffenen Tragfähigkeit der Tiefgaragenkonstruktion, auf der sämtliche übrigen Gebäudeteile lasten. Unabhängig von den erforderlichen Sofortmaßnahmen sind deshalb ohne eine Grundinstandsetzung der gesamten tragenden Betonkonstruktion der Tiefgarage (50% der Gebäudefläche) auch die übrigen Gebäudeteile nur noch für einen begrenzten Zeitraum nutzbar. ” fasst das Bezirksamt die Ergebnisse in seiner Pressemeldung [4] zusammen.

Die Gutachter hatten zwar auf Grund der wenigen Stichproben den Wunsch einer Kostenschätzung für die Sanierung abgelehnt, kamen aber trotzdem schon allein für die Sanierung der Tiefgarage als Voraussetzung für eine Sanierung der Wohngebäude auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Wobei auffällt, dass in die genannten etwa 11 Millionen Euro der durchlaufende Posten Mehrwertsteuer eingerechnet wurde. [Ist wohl kein durchlaufender Posten und damit korrekt. Quelle: Klaus Lübke]

Dazu Andy Grote, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte: „Der bauliche Zustand der Esso-Häuser ist deutlich schlechter als befürchtet. Im Vordergrund steht jetzt unsere Verantwortung für die Sicherheit der Bewohner und übrigen Nutzer. Ein realistischer Spielraum für den Erhalt der Häuser ist selbst bei gutem Willen kaum noch gegeben. Für die Sanierung wäre ein immenser Aufwand in die Wiederherstellung des 60er-Jahre-Betons zu investieren, ohne dass ein Verbleib der Mieter, bezahlbare Mieten, moderner Wohnstandard oder auch nur zeitgemäßer Brandschutz gesichert wären. Die Ziele der Kritiker, wie der Erhalt bezahlbarer Mieten, der Vielfalt St. Paulis, der gewachsenen Milieus teile ich ausdrücklich und sind der entscheidende Maßstab für jede Neubebauung.“ [4]

Die PIRATEN setzen sich seit langem für den Erhalt der Häuser ein. “Selbstverständlich werden wir uns das Gutachten nun genauer ansehen müssen und auch die Prüfung durch Experten der Anwohner abwarten, bevor wir uns erneut Positionieren. Die grobe Schätzung der Sanierungskosten im zweistelligen Millionenbereich allein reicht uns noch nicht einem Abriss zu zu stimmen. Erst recht kann natürlich die immer wieder subjektiv festgestellte Hässlichkeit der Häuser kein Argument sein.” kommentiert Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der PIRATEN die Situation und ergänzt: “Dass die Bayerische Hausbau in ihrer Stellungnahme [5] den Sanierungsstau, für den sie seit 2009 mitverantwortlich ist, als Ursache leugnet, zeigt, dass hier immer noch nicht ehrlich mit Fakten umgegangen wird. Sollte ein Abriss und Neubau am Ende des Prozesses feststehen, werden wir uns selbstverständlich für den größtmöglichen Anteil an Sozialwohnungen, gegen Eigentumswohnungen und für Ersatzwohnungen sowie Rückzugmöglichkeiten für alle Mieter, auch die mit Zeitmietvertragen einsetzen.”

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[1] http://mobil.abendblatt.de/hamburg/article117045675/Sind-die-Esso-Haeuser-einsturzbedroht.html
[2] http://www.ndr.de/regional/hamburg/essohaeuser119.html

[3] http://www.mopo.de/nachrichten/anwohner-fuehlen-sich-uebergangen-neues-gutachten–esso-haeuser-total-marode-,5067140,23278062.html

[4] 2013_06_13_PM_Bezirksamt_ESSO-Häuser

[5] 130613_Gutachten_bringt_unmissverständliche_Klarheit_über_den_Zustand_der_ESSO-Häuser